Eine sehr alte und bekannte Diskussion über Kinder und Mütter

Ich habe ja eine lange Weile nichts mehr gebloggt, weil ich keine Zeit hatte, weil ich es müde war, das gleiche wieder und wieder zu wiederholen. Irgendwie na ja. Jedenfalls habe ich derzeit gerade ein zwei Impulse wieder meinen Blog zu befüllen. Auch haben sich im Laufe der letzten Jahre die Dinge in Bloggersdorf verändert. Die letzten Tage habe ich immer wieder damit zugebracht, einige der Verwerfungen und Brüche und neuen Bündinisse nachzuvollziehen, die sich da abgespielt haben.

Ich bin bei unterschiedlichen Leuten über Berichte und Beiträge über das GenderCamp gestolpert.Ich werde das nicht weiter verlinken, weil es mir nicht darum geht, was da vor ein paar Monaten abgespielt hat. Aber eine Sache hat mich dann doch weiter beschäftigt.

Irgendwie, dachte ich so, kenn ich das doch. Diese Diskussionen habe ich doch schon geführt, bzw. am Ende nicht mehr. Also es war in den späten 80ern, da gab es das „Frauenwiderstandscamp“ im beschaulichen Reckershausen im Hunsrück, also auch so ein Camp halt zeitgeschichtlich anders aufgehängt. Es war eine primär feministische Abspaltung aus der „Mainstream“-Friedensbewegung und protestierte in erster Linie und in der Phase in der ich das ganze erlebte, gegen den sehr heimlichen Bau einer Nato-Kommando-Zentrale im Hunsrück. Die genauen Details habe ich nicht mehr in Erinnerung.

Ich war insgesamt 3 Mal dabei. Als Teilnehmerin und auch als Orga. Diese Zeit war in vieler Hinsicht sehr prägend für mich. Der Umgang untereinander, der Versuch andere Umgangsformen zu finden, hat mir damals meinen familienbedingten Zynismus, den ich in diesem Alter gerne noch von mir gab, ziemlich ausgetrieben. Weils niemand lustig fand (ja, ja, meine Familie ist ziemlich daneben aber das ist ein anderes Thema) und weil ich dadurch verstand, dass ich mich verletztend verhielt. Oder das Essen, vegetarisches Essen in großen Töpfen, dazu gehörte allerdings auch die regelmäßigen Currywurstfressanfälle während des Einkaufs im benachbarten Städtchen. Wobei ich sagen muss, dass besonders die Nicht-Vegetarierinnen unter uns besonders gern den Einkaufsdienst übernahmen. Oder die Diskussionen, wie etwas verhandelt wurde. Ich meine, ich hätte im zweiten Jahr ja nicht mit orgnanisiert, wenn es mir nicht gefallen hätte. Natürlich ist jetzt alles was folgt ein höchst subjektiver Blick auf die Sache, 100% mein Erleben und sicher dadurch auch noch subjektiv verzerrt, dass dies alles vor fast einem viertel Jahrhundert stattfand.

Außerdem war es ein primär lesbischer Ort, also die Lesben waren in einer absoluten Mehrheit und meine damals beste Freundin, ihres Zeichens Hetera, meinte schon nach einen Tag, sie bekäme eine Ahnung, wie es sich für mich anfühlen müsste, im Alltag klarzukommen. Super Sache, wie ich finde, viele Diskriminierungserfahrugnen sind ja leider nur schwer antizipierbar. Damit meine ich keinen theoretischen Überbau, sondern das konkrete Erleben, das kaum vermittelbar ist. Natürlich gab es da auch normative Diskriminierung. Dieser Blick auf meine langen Haare und meinen Rock als ich mir am ersten Morgen Kaffee im Küchenzelt, dass nur für Leseben vorgesehen waren, holen wollte und der Kommentar „Das hier ist die Lesbenküche“ – Pause – Bedeutungsvoller Blick. Nun ja, ich war ja noch irgendwie ein Teenager und habe das damals eher als Sport begriffen. Erwähnte beste Freundin mit kurzen Haaren und Bomberjacke wurde ja auch immer gleich als Lesbe identifiziert. Wir haben uns damals einen Spaß a la „ratet wer die Lesbe ist“ gemacht. Ein gutes Training für spätere Zeiten manche Sachen nicht so ernst zu nehmen. Die Verletzung so nachdrücklich und stur von den „eigenen“ fehlgelesen zu werden, hat sich erst viel später Bahn gebrochen. Btw. ich werde bis heute fehlgelesen, ist ja erstaunlich, was sich in weit über 30 Jahren seit meinem lesbischen Coming-out so alles nicht geändert hat. Und Treppenwitz, heute sind meine Haare kurz und meine Butch, hat echt lange Haare. Na, wie auch immer.

Und dann kam die Sache mit den Kindern. Das brachte mich dann dazu der ganzen Veranstaltung komplett den Rücken zu kehren. Zum ersten waren männliche Kinder ab einem bestimmten Alter auf dem Camp nicht zugelassen. ICh erinnere mich aber deutlich, dass wir im Orgateam ganz klar darauf achteten, das Alter so auszuwählen, dass die Mütter, die keine Eltern, Verwandten usw. im Hintergrund hatte, die Möglichkeit hatten ihre Jungs in ein Ferienfreizeit oder so geben zu können und das geht erst ab einem bestimmten Alter. Es gab da auch andere Fraktionen, sozusagen die radikal seperatistischen, die überhaupt keine Kinder auf dem Platz wollten und auch keine Mütter (mit oder ohne Kinder) weil sie ja heterosexuell verbandelt sind. Die haben sich aber bei der Orga nicht durchsetzen können. Das wir alle tief in der Differenzscheiße steckten haben wir damals nicht bemerkt und gender war damals kein Thema (s.o.). Vielmehr war das Thema zu der Zeit, dass die Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt hatten, auf dem Camp nicht mit „männlichen“ Wesen aller Art konfrontiert werden wollten.

Allerdings und leider, spielte sich das im konkreten Campleben so ab. Es gab diese Küchenzelte, wo bis zu 20 Frauen/Lesben zusammen kochten und oft auch die Bezugsgruppe innerhalb des Camps darstellen. Wenn ich mich richtig erinnere, waren da mindestens sieben oder acht solcher Küchenzelt. Im letzten Jahr bei dem ich dabei war, gab es ein exlizites Separatistinnenzelt, als keine Kinder, keine Mütter, keine Heteras. Aber aus Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnere, waren da dann nur noch zwei Küchenzelte, die für alle offen waren. Es gab unsägliche Diskussionen darüber, auf welche Toiletten, die wengien überhaupt auf dem Camp vorhandenen männlichen Kinder gehen dürfen (zur Erinnerung die waren alle jünger als sieben Jahre). Ich weiß nicht einmal mehr, ob zu diesem Zeitpunkt überhaupt männliche Kinder auf dem Camp waren.

Im Allgemeinen entwickelte sich das Camp in einer Art und Weise, die ich damals schon aber heute noch mehr als ziemlich fatal empfand. Nur damals war ich zu jung, zu verunsichert und Dämonen gejagt, die mir es nicht leichter machten, klaren Kopf zu behalten oder klar Stellung zu beziehen. Die Sache mit den Kindern fand ich die ganze Zeit daneben, das Ausgrenzen von Müttern ebenso. Also ob jede Frau als Lesebe auf die Welt gekommen wäre. Aber dass die Themen des Frauenwiderstandscamp zunehmend nach innen fiehlen und die Aktionen und Aktivitäten immer weniger wurden. Es wurde sehr selbstzerfleischend, wie frau sich zu verhalten habe, zu reden und so weiter und so fort (kommt das jemandem bekannt vor??).

Mich ereilte der obligatorische Campkoller und ich musste mal raus und verschwand für eine Woche.
Kurz vorher war ich auf dem Camp auf vier Lesben/Frauen gestoßenm, die zusammen mit zwei Kindern vor einem Lagerfeuer saßen und da ich sie noch nicht bemerkt hatte, fragte ich sie in welchem Küchenzelt sie untergekommen seien. Sie meinten, in keinem. Ich fragte, ob sie gerade erst angekommen seien. Nein, sie wären schon drei Tage da. Mit Blick auf die Kinder, meinte dann eine, es hätte kein Zelt sie nehmen wollen. Ich war ziemlich entsetzt. Ich glaube, ich habe dann dafür gesorgt, dass „mein“ Küchenzelt noch mal aufmachte. Da ich einem der beiden Küchenzelte angehörte, die offen für alle waren, waren wir schon ziemlich voll gewesen aber dass Frauen hier nix zu essen bekommen, ging mal gar nicht.

Der Campkoller war ein berüchtigestes Phänomen, immerhin dauerte das Camp 6 Wochen und einige von uns versuchten die ganze Zeit dort zu verbringen. Unser Leben da auf der Wiese im Hunrück war teiweise wie das Leben in einem Parallelunsiversum und ein Kulturschock und manchmal brauchte es dringend eine Rückkopplung mit der Welt, in der wir den Rest des Jahres lebten, um nicht durchzudrehen. Da ich in diesen Jahren eh immer kurz davor stand durchzudrehen, machte ich also eine Pause und fuhr dann wieder hin. Also ich dort ankam, war die Stimmung total gekippt. Es waren alle Frauen mit Kindern abgereist und auch einige Mütter, die ihre Kinder nicht mitgebracht hatten. Es hatte wohl weitere Vorfälle gegeben, die Mütter und Frauen mit Kindern wären abgereist. Aber das Leben im Camp ging so weiter. Ich war so erschüttert und entsetzt, dass ich meine Klamotten packte und abreiste.

Ich will dazu sagen, ich war Anfang 20, definierte mich damals lesbisch, wollte zu diesem Zeitpunkt explizit keine Kinder.

Wenn ich jetzt lese, dass sich diese Sturkturen in einem neuen Mäntelchen wiederholen, wird mir nicht weniger schlecht. Denn es ist mir echt egal, wer wen diskriminiert. Ich bin da empfindlich und wenn Leute, die ich schätze (warum und wofür und in welchem Grad auch immer) anfangen andere zu diskriminieren und egal in welchem Deckmäntelchen es daherkommt, bin ich sauer. Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dabei der eigene Schmerz und die Trauer über die eigenen Diskriminierungserfahrungen über diesen Weg emotional entsorgt werden soll.

12 Antworten zu “Eine sehr alte und bekannte Diskussion über Kinder und Mütter

  1. ICh führe bei twitter mit momrulez ein Diskussion zum Thema, die glaub ich, auch dazu beiträgt, dass ich ein bisschen dahinter komme, was sich eigentlich abgespielt haben könnte.

    Ich finde es wirklich sehr sehr schwierig, im Angesicht der Realität von Müttern, inbesondere alleinerziehenden Müttern, da ein solches Fass aufzumachen. Ich kann den Reflex „zurückzubeißen“ vollkommen nachvollziehen, da ich weiß, dass jede Mutter in diesem Land von etwas, dass sich Privileg nennt ziemlich weit entfernt ist. (ich blende mal für den Moment die Väter aus).

    Hier geht es doch wohl im Allierierte und nicht um den CSU Mütterverband.

    Zumal ich jede Äußerung von Zuneigung gerne sehe. Mein Tag ist immer gemacht, wenn ich eines dieser uralten hetero Cis-Pärchen die Straße entlang gehen sehe, die Händchen halten und diese Ruhe ausstrahlen. Das will ich auch, also diese Gefühlsäußerung.

    Soweit erstmal ins Unreine, hoffe, wir bekommen die Diskussion von Twitter hier irgendwie her.

    Ach ja, wo war der reaktionäre Teil von Rönickes Beitrag? Ich habs vermutlich überlesen oder anders gelesen, ich lass mich da gern belehren.

  2. Ich schreibe jetzt mal, weil ich aufgefordert wurde ;) – obwohl es absurd ist, ausgerechnet bei dem Thema als Mann den ersten Kommentar zu schreiben. Weil der Druck, nun Kinder „in die Welt zu setzen“, hahaha, all die tollen Erzeuger, auf mir völlig anders lastet als auf Frauen – oder auch der Wunsch, ich weiß es ja nicht.

    Ich habe da im Gegensatz zu anderen Schwulen keine Wünsche in diese Richtung, kenne es aber auch, dass „Familie“ genutzt wird, um mich als irrelevant, nutzlos, verantwortungslos, minderwertig abzuqualifizieren – auch in Blogdiskussionen erfolgte das schon von Seiten so genannter „Familienväter“. „Familienmütter“ sagt ja bemerkenswerterweise keiner.

    Ich kann nicht beurteilen, was da alter Wein in neuen Schläuchen ist, sozusagen innerfeministisch. Und finde auch als in dieser Hinsicht Außenstehender das, was Du berichtest, sehr lesenswert und lehrreich, auch hinsichtlich der bitteren Pointen.

    ABER: Ich sehe da den Topos umgekehrter Diskriminierung nicht. Über diesen Text:

    http://blog.katrin-roenicke.net/?p=1100

    habe ich mich wochenlang geärgert und ihn als exakt im Sinne des oben skizzierten – Abwertung Devianter mit der „Familien“-Methode und für Irrelevanterklären anderer Perspektiven – gelesen.

    Ohne dabei zu übersehen, wie extrem schwierig es ist Kinder groß zu ziehen, ohne zu übersehen, dass es Kinderfeindlichkeit in der Gesellschaft gibt, dass Mütter oft auch wegen des Verhaltens ihrer Partner in der Scheiße sitzen undundund. Auch die Konflikte, die ich bei vielen Freundinnen mit bekommen habe, was es heißt, sich in so was wie die „Mutterrolle“ begeben zu sollen, glaube ich verstanden zu haben.

    Aber sobald diese „umgekehrte Diskriminierung“ auftaucht, oje, und dann noch eine psychologisierende Erklärung nach geschoben wird, dann höre ich es trapsen. Was ich wirklich hier jetzt nur schreibe, weil wir das bei Twitter schon hatten.

    Weil das unter aktuellen, gesellschaftlichen Bedingungen gar nicht möglich ist, ist diese Umkehr. Das ist dann gewissermaßen ein Schmarotzen an gesellschaftlicher Macht, die gegen eine lesbische Perspektive – in diesem Fall Lantzschi – in Stellung gebracht wird.

    Natürlich wird de facto politisch herzlich wenig für Familien getan, vor allem für jene nicht, die wenig Kohle haben – dass der Papst Schwule und Lesben als nicht vollständige menschliche Wesen behandelt in Vorträgen und viele, die mit Glauben nix am Hut haben, das auch so sehen, das ist nun mal jenes heteronormative Muster, das uns alle quält und selbst jenen Frauen, die zusammen Kinder groß ziehen, ja auch noch als Defizit hinterher gedichtet wird.

    Und was ich in analogen Konstellationen immer so schlimm finde, ist, dass anders, als Du es hier machst, wo Du ja weitestgehend versuchst, die verschiedenen Perspektiven auch aus sich heraus verstehen zu wollen, dass beim Verlinkten die gesellschaftlich dominante Position mit teils abstrusen Angriffen ausgenutzt wird, anderen Sichtweisen das Maul zu stopfen. So kommt man bei einer Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse aber auch nicht.

    Was ich mir ja immer wünschen würde, wäre die Möglichkeit wechselseitigen Verständnisses.

    Meiner Erfahrung der letzten Jahre sind jene aus den dominanten Positionen dazu aber nicht bereit. Da kann man selbst noch so viel Verständnis aufbringen. Und das ist doch das Problem.

    Und dann immer noch den Kritiker aus der nicht-dominanten Position für „Zerfleischen“ verantwortlich zu machen, weil er nicht dulden will, und unter Rechtfertigungsdruck zu stellen, das mag ich mittlerweile auch gar nicht mehr lesen. Nix für ungut. In tiefer Sympathie geäußert ;) …

  3. Meinst du mit „umgekehrter“ Diskriminierung die Überschrift hinter deinem Link?

    Ich lese in dem Beitrag keine dominante Position sondern eine gewisse Schockiertheit. Ich meine, wie kann Nadine von „inszenenierter Heterokleinfamilie“ ausgehen? Aus meiner Perspektive als Femme, die immer als Hetera angerufen (und das nicht unbedingt in freundlicher Weise) wird auch in den vermeintlich „eigenen“ Räumen rate da echt zur Vorsicht. Ich kann – leider – den ganzen Text von Nadine problemlos übersetzen in einen Text, der sich auf Inzenierung (patriachaler) Weiblichkeit (!) in sicheren Räumen. Und das schließt an meinen obigen Beitrag an. Bestimmte Lebensformen, Ausdrück sind in feministisch/lesbischen Kreisen in einer Art und Weise konnotiert, die mir nur noch Wut erzeugt.

    Und das pyschologisierende, ich habe in den über 40 Jahren zu häufig beobachtet, dass vieles Dinge in Abwehr von eigenen Gefühlen passieren als man es scih wünschen würde. Womit ich überhaupt nicht die Verantwortung dafür wegreden will. Im Gegenteil, auch dafür ist jed*r einzelne verantwortlich. Wofür auch sonst.

    Herrje, wenn ich eine glückliche Familie sehe (und ich erkenne die auf Anhieb) dann löst das bei mir auch jede Menge Trauer und Schmerz aus, weil ich sowas nie erleben durfte aber deswegen würde ich doch nicht auf den Gedanken kommen, dass diese Menschen aus meinem Blickfeld verschwinden sollen. Was wäre die Konsequenz? Ein sicherer Raum wäre dann für mich, dass ich mit meiner Trauer da sein kann, wie die anderen mit ihrem Glück und beides Anerkennung findet. Und dann kann man sich dem zuwenden, dass wichtig ist, dass diese unglücklichen Kindheiten irgendwann mal ein Ende haben und sich dafür einsetzen.

  4. Bei Frau Roenicke beziehe ich mich auf die Überschrift und die ganze Haltung des Textes; da wird ja wie üblich nicht mal der Versuch unternommen, Lantzschis Position zu verstehen.

    In Deinem Text meine ich folgenden Passus:

    „Ich bin da empfindlich und wenn Leute, die ich schätze (warum und wofür und in welchem Grad auch immer) anfangen andere zu diskriminieren und egal in welchem Deckmäntelchen es daherkommt, bin ich sauer.“

    Weil ich nicht wüsste, wo Lantzsci diskriminieren würde, und diese Inzenierung von Familie, die alles andere weg drückt, die gibt es halt. Und mir persönlich ist es mittlerweile schnurz, ob es Alliierte sind, die wie die CDU argumentieren.

    Das mit den alleinerziehenden Müttern: Ja, definitiv. Wobei ja nun auch ein grundsätzlicher Reproduktionsdruck auf Frauen lastet? Weiß ich nicht, scheint mir aber so. Ebenso wie Wünsche.

    Die Frage nach der Weiblichkeit, die ist mir freilich vollkommen entgangen, typisch cis-Mann.

  5. Ich sehe das anders, denn im Verlauf der Diskussion im Kommentarbereich macht Katrin Rienicke doch ihre Position noch mal klarer.

    In Bezug auf mein Zitat: Meinst du ehrlich, dass Eltern, die mit ihren Kindern umgehen, irgendjemanden wegdrücken? Ich sehe das anders. Es macht auf mich den Eindruck, dass eine gesellschaftliche Kampfzone auf konkrete Menschen übertragen wird und dann wird eine solche Diskussion echt unglücklich. Weil persönlich und damit für mich am Thema vorbei und die Konsequenzen habe ich damals auf dem Frauenwiderstandscamps erlebt und erlebe sie aus dritter Reihe bei dieser Diskussion.

    Das quasi wiederzuerleben ist ganz schön frustrieend.

    Vielleicht liegt es auch an meiner Perspektive als Femme, die, wie ich bei twitter ja schon schrieb die grundsätzliche „Frauenfeindlichkeit“ in Form von Feminitätsfeindlichkeit bei Feministinnen und Lesben seit 30 Jahren hautnah erlebt. Da ist was internalisiert, was wirklich übel und erschreckend ist. Auf Grund dieser Erfahunrg, dass ich immer wieder als „Frau“ im naturalisierten Sinne angegriffen werde, bin ich bei einer Argumentation wie sie in Nadines Beitrag stattfindet immer erstmal skeptisch. Sozusagen gebranntes Kind/Femme.

  6. Was den Femme-Aspekt betrifft, kann ich nur zulesen, auch den Link, den Du mir bei Twitter geschickt hast. Und da es ja nun nicht sobist, dass ich nie in meinem Leben etwas mit Lesben zu tun gehabt habe, meine ich zu verstehen, was Du meinst – der Mist ist ja nur, dass, wen nun ausgerechnet ich mich dazu äußerte, bin ich in ziemlich bescheuerten Klischees unterwegs.

    Was dann aber zu dem mit dem Personalisieren überleitet, weil ja bei Leuten, die ihre Deutungshoheit wahren wollen, es trendy ist, das als protestantische Selbstreinigung zu verunglimpfen: Foucault hat doch recht, die Macht wirkt in den Beziehungen. Zwischen Polizist und Delinquent, aber, selbstverständlich deutlichst abgeschwächt, auch in der zwischen Roenicke und Lantzschi. Lantzschi nimmt es nicht hin, und Roenicke stablisiert es, indem sich die Diskriminierungserfahrungen von Lesben als nicht relevant behauptet. Ja, ich müsste dazu jetzt tiefer in deren Text gehen und es genauer belegen; selbst, wenn es auf den Text nicht zutrifft, ist da wie oben so unten. Das ist gängiges Muster in öffentlichen Diskursen – in meiner Kommentarsektion wie auch von CDU-Politikern. Dieses „Fortpfanzungsthema“ ist nun mal zentral. Dann wenigstens bei einem Gender-Camp zu erwarten, dass dergleichen Thema ist, finde ich echt nicht zuviel verlangt.

    Und wenn man mal zurück schaut, war kurz vor der Zeit des von Dir geschilderten Camps noch Usus in der Theoriebildung, Familienstruktur auf kapitalistische Verhältnisse zu beziehen, und da wirkt ein Druck doch auf beide, die Exkludierten wie auch die, die sich hinein fügen. Für mich gilt da immer noch die Suche nach utopischen Räumen als maßgeblich. Du hattest selbst mal so einen traumhaften Text zu den Kinder aufziehenden Geschisternund der Möglichkeit wechselnder Liebhaber geschrieben. Das ist doch Sujet für so ein Camp.

    Ansonsten macht Roenicke da das, was immer passiert : Heten tun alles dafür, dass nur sie zu Worte kommen und ersetzen alle Homosexuell-Subjektive sofort durch IHREN Diskurs, IHR Leiden, IHRE Gefühle und Erfahrungen. Weiße und Männer machen das auch so. Diese ganze „Schmerzensmann“-Nummer lebt doch davon. Die machen es praktisch unmöglich, mal was anderes zu thematisieren.

    Und klar ist das ein Wegdrücken.

    Die Roenicke hat ja sogar noch nach gelegt mit einem komplett selbstwidersprüchlichen Text zur Trigger-Warnung. Die fordert, Deviante müssten in steter Bereitschaft, sich verletzen zu lassen, durchs Leben zu gehen, und wer sich ihnen solidarisiert, bilde dadurch ein „Wir-Gruppe“ zur Abwertung Dritter. Mal polemisch überspitzt geschrieben. Ihre eigene „Diskriminierung“ durch die böse Lantzschi hingegen ist natürlich dringendst zurück zu weisen aus dem „Wir“ der Mütter heraus. Und wenn das mal nicht persönlich gemeint war.

  7. Ich glaube, ich muss das alles noch mal überschlafen, denn ich habe den Eindruck, dass ich da was nicht kapiere oder das da was in meinem Hinterkopf ist, dass ich nicht so recht formuliert bekomme.

  8. @momorulez, ich ziehe mal ein Zitat aus deinem Kommentarbereich hier rüber, weil es mir in der Diskussion hier ein bisschen weitergeholfen hat:
    http://metalust.wordpress.com/2012/09/21/analyse-und-kritik-als-vorkampfer-des-politischen-liberalismus/#comment-18023
    „Du lebst da etwas, was als Glücksentwurf einen derart harschen Druck entfaltet, dass Du ja noch nicht mal merkst, dass vielleicht gar nicht das Problem darin besteht, dass es für Lesben schwieriger ist, welche zu “haben”, für mich ohne Verbiegen unmöglich, sondern die Vorstellung, das sei nun der erstrebenswerte way of Life. Und das knallt mir nun jede “Familie” mitten ins Gesicht, wenn sie sich mit voller Selbstverständlichkeit im Park breit macht, während, wenn ich einen Kerl hätte, ich aufpassen müsste, daneben miteinander zu knutschen. Das ist ein ständiger Schrei “DU BIST FALSCH! DU BIST FALSCH! DU BIST FALSCH!” Überall, den ganzen Tag, wohin Du auch gehst. Und, da freue ich mich, wenn @qwertzu interveniert, ich sehe da Zusammenhänge zu Schwarzen, die sich die Haare glätten und versuchen, Haut zu bleichen, um “richtiger” zu werden. Es gibt Tage, da laufe ich voller blankem Hass auf diese bornierte und teils aggressive Selbstverständlichkeit von Heten im Allgemeinen und Familien im Besonderen, das RICHTIGE zu leben durch die Straßen – natürlich, weil ich nie und nirgends und in keiner Hinsicht eine solche Selbstverständlichkeit leben konnte, sondern meinerseits IMMER ALLES hinterfragen und rechtfertigen musste.“

    So langsam fange ich an ein bisschen durchzusteigen, kann es sein, dass die individuellen Personen mit der strukturellen Gewalt auf alles jenseits der Normativität vermengt werden.
    Wenn ich mir diese Szene im Park vorstelle, also ich als somlu, da kommt eine Familie, die einen netten Nachmittag im Park verbringen wollen. Soweit sehe ich nichts problematisches für mich. Ich freue mich für jede Familie, vor allem für die Kinder, wenn die halbwegs den Eindruck machen, dass sie sich lieben und wertschätzen. Ich sitze mit meiner Frau, die sehr maskulin ist, quasi auf der Decke daneben. Wenn weiter nichts passiert, geht das klar.

    Aber in dem Moment, wo mir signalisiert wird, dass ich mich zu verziehen habe, weil die Präsenz von meiner Freundin und mir als bedrohlich empfunden wird, weil unser „Vorbild“ die Kinder verderben könnte. Dann wird es problematisch, mehr als problematisch. (Zumal ich die Erfahrung gemacht habe, dass Kinder da im allgemeinen recht unbefangen sind. Wenn sie noch nicht angepasst sind, fragen sie im Zweifel mal nach.) Hier kommt also die Gewalt der Normativität über mich. Ich störe das traute Familienidyll mit meiner Anwesenheit. Da bekomme ich die Wut.

    Es fällt mir persönlich recht schwer den Menschen absichtsvolles Diskriminieren meines Lebens zu unterstellen. Für mich ergibt sich das aus strukturellen gesellschaftlichen Verhältnissen, die sich oft in dem Argument „das ist natürlich respektive unnatürlich“ äußert.

    Ich unterstelle heterosexuellen Cis-Eltern, die am Gender-Cam,p teilnehmen erstmal eine gewisse Selbstreflektiertheit. Wenn von solchen diese Art der Naturalisierung geäußert würde, wäre ich auch sauer aber ihre blanke Anwesenheit, das Zueinandergeneigt sein, löst bei mir keinerlei derartigen Gefühle aus, das ich mich schon deswegen diskriminiert fühlen würde, weil sie einfach vorhanden sind.

  9. Pingback: Frauenwiderstandscamp 2 | Somlus Welt

  10. Ich will hier nochmal schreiben wegen diesem Missverständnis bezüglich Kinder. Eigentlich hat Momo schon alles vorweg genommen, möchte mich aber dennoch nochmal bedanken für deine Eindrücke bezüglich der Integration von Kindern in feministischen Aktivismus. Das Gendercamp hat für mich nochmal die Erfahrung mit sich gebracht, dass Kinder auf irgendwie feministischen Veranstaltungen oft nur dazu da sind, betreut zu werden und nicht aktiv einbezogen werden. Hinzu kommt, dass Bezugspersonen von Kindern (meistens hetero-Eltern) oft erwarten, dass sich möglichst alle mit der Betreuung vertraut machen und diese Aufgabe übernehmen. Was ich zum einen völlig nachvollziehbar und wichtig finde. Wo mein Verständnis dann allerdings aufhört, wenn die Anrufung hauptsächlich an Frauen gerichtet wird, die zudem aus verschiedenen Gründen auf diese Aufgabe keine Lust haben (Muttermythos, selbst keinen Kinder- und_oder Erziehungs-/Betreuungswunsch, eigene schmerzvolle Erfahrungen) oder gar nicht danach geschaut wird, wem hierzulande überhaupt das Recht zugestanden wird, Kinder zu betreuen oder selbst welche zu bekommen. Dass es auch für mich als Lesbe oft schwierig ist, mit diesem Thema zu handeln, wird oft übersehen bzw. nicht mitgedacht. Ich denke, dass das ein Konflikt ist, auf den es keine richtigen Antworten gibt, sondern Aushandlung bedarf. Diese wird aber oft nicht in Betracht gezogen.

    Ich betreue eigentlich gerne Kinder, hätte früher oder später selbst gern eigene – muss aber auch nicht -, für die ich Bezugsperson sein kann.

    Die Inszenierung, die ich in dem Ursprungspost meine, bezieht sich darauf, permanent unter die Nase gerieben zu bekommen (von Hetero-Eltern, nicht aber von Alleinerziehenden oder anders gelagerten Bezugspersonen), dass „Familie“ sein (also in deren Verständnis hetero Kleinfamilie) und haben bitte schön immer und unbedingt zu akzeptieren und von allen mitzutragen sei. (was für mich stark an Bio- und Reproduktionspolitiken eines Nationalstaats anknüpft) Sich vor alle Teilnehmer_innen hinzustellen und die eigene Familie als Idyll zu inszenieren, wenn Kritik an der vermeintlichen Kinderfeindlichkeit (die nicht vorherrschte) vorgetragen wird und nicht einen Gedanken daran zu verschwenden, dass da unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen Erfahrungen bezüglich Kindheit, Erziehungsarbeit, Begehrens- und Familienentwürfen sitzen, finde ich dann halt schon ein starkes Stück. Ich möchte auf einer feministischen Veranstaltung meine eigene Begehrenspolitik als deviant vorgestellt bekommen.

    Trotz allem: Nochmal danke für deine Eindrücke von Hunsrück und wie dort mit der Thematik nicht immer glücklich verfahren wurde. Auch, was deine eigenen Erfahrungen als Femme in „Lesben- und feministischen Kreisen“ (ich nenn‘ es jetzt mal so salopp) angeht. Das erlebe ich bisher in meinen Umfeldern auch, da spielt das Thema „Kind & Erziehung“ im weitesten Sinne gar keine Rolle, da geht es eher um die Abwertung von Weiblichkeit als patriarchal. Das lehne ich ab und fühle mich da weder repräsentiert noch sonderlich wohl und bin seit langer Zeit auf der Suche, wo ich mich als Lesbe, die nicht den gängigen Normen in diesen Räumen entspricht, verorte. Also danke für’s Teilen.

  11. oh da fehlt im Satz: „Ich möchte auf einer feministischen Veranstaltung meine eigene Begehrenspolitik als deviant vorgestellt bekommen.“ ein Nicht. und zwar ein großes :)

  12. @lantzschi, danke für deinen Kommentar, mir wird langsam klarer, was sich da abgespielt hat. Auf diesem Hintergrund kann ich deinen Ärger sehr gut nachvollziehen.

    Was meine Erfahrungen als Femme und dem Umgang mit Feminität in der Lesben- und feministischen Szene angeht, kaue ich da an einigen Beiträgen. Mir wird langsam klar auch dank ihdls Beitrag von heute, dass es möglicherweise nicht nur für mich und „die meinen“ interessant sein könnte, wenn ich mich dazu äußere.

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