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Leider kein (Katastrophen) Film

Wenn dies ein Katastrophenfilm wäre, würde ich jetzt händeringend vor dem Fernseher sitzen und die Protagonist*innen anschreien: „Pass auf, es geht nicht gut aus. Die Welle ist auf dem Weg, geh da weg, schnell.“

Nur die ersten vier Überschriften aus dem Kölner Stadtanzeiger (Online) heute morgen (18.03.2021 ca. 04:30):

Neue Strategie statt Notbremse? So reagiert Köln auf die hohe Corona-Inzidenz Die Stadt zieht vorerst keine Notbremse. Eine neue Strategie scheint denkbar.

Coronavirus in NRW Infektionszahlen in den Kitas steigen steil an

Nach Corona-Ausbruch in Pescher Heim Verzweifelter Impf-Appell der Kölner Lebenshilfe

Corona in der Region Dutzende Kunden müssen nach Friseurbesuch in Quarantäne

Und dann würde ich zur Herzensbutch sagen, guck dir diese Leute an, so würde doch niemand handeln, so viele Menschenleben riskieren. Oder, wie in bekannteren Katatrophenfilm, wo sich die Protagonist*innen in letzter Sekunde in ein Flugzeug retten, während im Hintergrund der Vulkan ausbricht und wir alle wissen, dass das in der Realität nicht möglich wäre. Die Triebwerke würden nicht arbeiten können. Wissenschaft, Baby.

Dass die Realität viel schlimmer ist, konnte ich mir nicht vorstellen. In der Realität bin ich von mittelmäßigen, selbstverliebten Bürokrat*innen umgeben, die vermutlich mal in die Politik gegangen sind, weil sie damit ihre Bedeutung aufblasen konnten. Und vielleicht sich bereichern. Da bei denke ich weniger an direkte Korruption, über die ich gleichzeitig nicht wirklich überrascht bin,  als an manche Privilegien, die ein parteiparteipolitisches Leben so mit sich bringt. Die gedacht haben, dass die Folgen ihres Handelns sie wahrscheinlich nicht mehr betrifft, weil sich dieses Handeln erst in Jahren oder Jahrzehnten auswirkt. Und jetzt diese Pandemie. Alle Prozesse sind beschleunigt, ihr Handeln zeigt unmittelbar und zeitnah Folgen. Und die allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz handeln.

Niemals haben diese Leute geglaubt, dass von ihrem Handeln wirklich und wahrhaftig in kurzer Zeit Menschenleben abhängen. Dass es nicht reicht, Dinge durch den politischen Apparat laufen zu lassen und dann kommt am Ende halt irgendwas raus. Wird schon irgendwie gehen. Dabei ist dieses Verhalten nicht harmlos, diese Haltung ist mitunter ein Grund oder vielleicht sogar der Grund dafür, dass wir uns seit über 50 Jahren auf den Abgrund Klimakatastrophe zubewegen ohne dass irgendeine bedeutende Bremse in Sicht wäre. Das kostet jetzt schon Menschenleben aber eher mittelbar als unmittelbar und naja, halt nicht so viele vor der eigenen Haustür. Und ein paar ältere, die mit der Hitze nicht klar kommen. Nein, nicht ich bin zynisch. Dieses Verhalten ist zynisch, ignorant und von erschreckender Kurzsichtigkeit

Jetzt diese Pandemie. Millionen sind auf diesem Planeten schon gestorben. Am Anfang haben uns die Bilder über die Toten in Italien schockiert. Wir blieben alle zu Hause und hofften, dass es irgendwie vorbei geht. Damals haben auch die Medien die Bilder von Sterbenden gezeigt, damals in Italien. Es gab diesen kurzen Moment der Solidarität und Gemeinschaft. Aber er hielt nicht an. Ich weiß noch, wie es mich erschreckte und ärgerte, dass nicht mal eine Woche nachdem der erste Lockdown letztes Jahr in März beschlossen wurde, die Medien los legten und nach „Lockerungen“ fragten. Ich werde es den Medien niemals verzeihen, dass sie sich entschieden haben, das Leid auf den Krankenstationen, in den Betten in dem Menschen um Luft ringen und niemand sicher sein kann, ob nicht irgendein genetischer Zufall dazu führt, das si:er an dieser beschissenen Krankheit stirb, nicht in angemessener Weise zeigen. Dass sie das Leid der Familien, die oft genug ihre Angehörigen nicht mehr sehen durften, während sie starben, nicht zeigen. Dass sie es zulassen, dass sie unwidersprochen die Politik sagen lasse: „Wir haben unser Gesundheitssystem nicht überlastet“ Während tausende den Pflegeberuf verlassen und nicht zuletzt, die Langzeiterkrankte und toten Pfleger*innen und Mediziner*innen. Darüber höre und sehe ich auch nicht viel. Und dann die Toten, es werden Vergleiche bemüht. Wir zählen die Toten in Flugzeugen oder Busse, um das Grauen irgendwie be/greifbar zu machen. Täglich stützt ein Flugzeug ab oder verunfallen 9 Busse voll Menschen tödlich, derzeit. In wenigen Tagen und Wochen wird die Zahl dieser Flugzeuge und Busse steigen.

Das politische und mediale Beharren darauf, dass eine Mehrheit der Bevölkerung dieses Verhalten so wolle, ist ein weiterer Aspekt, der mich täglich fassungslos macht. Das ist eine Lüge aber wie alle Lügen, die oft genug wiederholt werden, manipuliert sie die Wahrnehmung der Menschen.

Der kollektive Verdrängungsmechanismus, der offenbar dazu führt, dass sich niemand so recht klar macht, wie schrecklich diese Krankheit ist, hat vor allem die Politik und die Medien befallen. Wie im Rausch werden wir mit Bildern über die Folgen der Pandemie für die Menschen geflutet, die diese Erkrankung noch nicht hatten. Die unter Einschränkungen leiden. Wie Kinder, die auf dem Rücksitz sitzen und alle Minute rufen, „Wann sind wir endlich da“ werden wir nur mit einer Seite der Realität überflutet, während die Kranken, Toten und Hinterbliebenen seltsam unsichtbar sind. Jens Spahn äußerte vor einigen Tagen, dass inzwischen mindestens eine Person in jeder Familie geimpft sei. Ich denke müde, wenn es so weiter geht, werden wir bald in jeder Familie einen Toten oder Langzeiterkrankten haben.

Die Bilder über die Kranken, Sterbenden und Toten kommen so gut wie gar nicht vor. So machen wir vergessen, so wird uns vergessen gemacht, worum es eigentlich geht. Und wir, die anderen, die es noch nicht ganz vergessen haben, müssen ohnmächtig zu schauen, wie die Kurzsichtigkeit und Unfähigkeit der Menschen, denen wir die Verantwortung für die Organisation unserer Leben übergeben haben, die Wissenschaft ignorieren und Menschenleben in Kauf nehmen. Dafür sind sie nicht Politiker*innen geworden und wir können an ihrem Verhalten gut ablesen, dass sie sie gern los wären, diese Verantwortung, die in Wochenfrist Ergebnisse liefert, nicht erst in Jahrzehnten.

Gedanken 7

Es gibt da diese Politiker*innen, die die Verrohung der Gesellschaft beklagen. Ich beklage dabei das offensichtliche Fehlen jeglicher Selbstreflexion und jeglichem Erinnerungsvermögen. Die Schnittmenge derer, die für diese Verrohung verantwortlich ist ist, scheint mir doch erheblich. War es nicht Müntefering, der vor weit über 10 Jahren Erwerbslose als „Schmarotzer“  bezeichnete, was von den Medien mit großem Elan abgedruckt wurde? All diese Politiker*innen haben doch den Anfang gemacht. Auch die Verarmung viele Teile der Bevölkerung für einen radikalen auf Wirtschaftsinteressen ausgerichteten politischen Kurs tut das seine dazu.

Die Sprache von Politiker*innen und die sie flankierenden Medien wurde in den letzten 20 Jahren immer verächtlicher und herabsetzender und haben damit die Tür für die AfD  gelegt. Und was ist die allgemeine Reaktion darauf? Die Parteien rücken in Programm und Sprache noch weiter rechts. Heute wird die Linke, die im Kern ein sozialdemokratisches Programm aufweist, als Linksextremistisch beschimpft. Soweit sind wir inzwischen, das Eintreten für Menschen und die Begrenzung des Einflusses der Wirtschaft ist heutzutage linksextrem. Linksextrem nicht linksradikal oder so, das gilt als Extrem und muss vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Und die Medien plappern das unhinterfragt nach. Ekelhaft. Ich frage mich inzwischen fast täglich, warum diese Entwicklung nicht mehr Menschen Angst macht. Außerdem frage ich mich, wieso so wenig Analysen darüber stattfinden, wie groß die Parallele zu der historischen Entwicklung in der Weimarer Republik ist, stattfinden. Es ist so offensichtlich, dass es schmerzt.

Fundstücke

Da ich in letzter Zeit zu nicht viel komme und einiges aufgelaufen ist, dass ich mir noch ansehen will, hier mal eine Zusammenstellung unterschiedlicher brisanter und wichtiger Beiträge, die mir im Netz über den Weg gelaufen sind:

Beitrag zum Thema Glühbirne, Ankurbeln des Absatzes von Konsumgütern und dergleichen: Beim Spielverderber

Ich glühe vor Haß

Ein hochinteressantes Interview zum Thema Medien und Berichterstattung und wie diese sich von einer wie auch immer gearteten „objektiven“ Berichterstattung entfernt haben, gefunden bei Harald Pflüger:

Auch die zweistündige Folge von Alternativlos (20) mit einem Interview mit Schirrmacher ist interessant.