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Kassensturz

Der Tatort am Sonntag war – nun ja- interessant. Ich Kriminalhandlung fand ich einigermaßen wirr aber die Arbeitsbedinungen der Damen in giftiggelb waren sehr eindringlich geschildert.

Eine graue erschöpfte Filialleiterin wird von ihrem Gebietsleiter angebrüllt, weil die Mitarbeiterinnen weit nach Arbeitsende tatsächlich schon gegangen waren. Testeinkäufer werden eingesetzt, um Mitarbeiterinnen Abmahnungen zu verpassen. In einer beklemmenden kammerspielartigen Szene wird einer Mitarbeiterin ein Diebstahl untergejubelt und sie so bearbeitet, dass sie von sich aus kündigt. Sie wollte einen Arbeitnehmervertretung aufbauen. Der neue GS ist so richtig heftig. Er brüllt rum und beschmeißt seine Mitarbeiterinnen mit Gegenständen. Die Chefin der Region ist eine vollkommenes Unternehmszombie (wunderbar gespielt im übrigen). Die Mitarbeiterinnen sind verschüchtert und verstört.

So gings da zu, in den „Billy-Märkten“ im Tatort am Sonntag.

Da ich persönlich bisher keinerlei Erfahrung mit dieser Branche habe, hielt ich die Darstellung erst für überzeichnet. Bis ich (mal wieder durch mo :-)) mitbekam, was ich im Blog zur Sendung Anne Will aufmerksam wurde. Dort haben sich seit vorgestern weit über 700 Beiträge zum Thema eingefunden. Es ist sehr deutlich zu lesen, dass solche Arbeitsverhältnisse keine Einzelfälle sind. Es scheint, dass sich der Stil „Führen durch Angst“ in vielen Branchen durchsetzt. Von Arbeitnehmerrechten, geregelten Arbeitszeiten, Überstundenausgleich und was sonst noch alles angeblich die Unternehmen belastet, kann keine Rede sein. Das ist erschreckend und deprimierend. Der Tatort scheint die Realität genau abgebildet zu haben. Aber lest selbst.

Da greift doch alles wunderbar zusammen, die strukturelle Gewalt gegen Erwerbslose (nein sie werden nicht verprügelt, sie werden nur zerstört) und die damit erzeugte Angst vor Arbeitslosigkeit lässt offenbar die allermeisten auch noch die mieserablesten Arbeitsbedinungen ertragen.

Es wird Zeit für einen Generalsstreik aber ganz dringend.

Wochenrückblick

Es ist schon erstaunlich, die Bollwerke neoliberaler Politik fallen eins nach dem anderen. Ständig prangen mit diese Schlagzeilen entgegen „Branche, Unternehmen usw. XYZ baut auf Staat“ so oder so ähnlich. Nachdem uns seit mindestens einer Generation ständig der freie Markt, die Unterwerfung des Menschen unter marktkompatible Effizienzkriterien und dergleichen, gepredigt wurden, werden derzeit Positionen populär, die der gescholtenen Linken (staatsgläubige Marktverächter ) und der bürgerlichen Mitte (konservative Bremser) zuzuschreiben sind.

Auf einmal wird erkannt (ha ha), dass eine reine auf Effizienz und Wissensvermittlung ausgerichtete Erziehung an Schulen und Hochschulen sich als problematisch erweist. Bildung sei mehr als Wissensvermittlung. Ach so, das war ja nun auch die letzten 20 Jahre vollkommen unbekannt. Ich erinnere mich an einen meiner Literaturprofessoren, die, unter dem Druck des Umbaus der Universitäten, gegen den Strom ruderte und meinte, dass ein guter Germanist mindestens 10 Jahre studiert haben sollte. Das deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen, ein Turboexpressstudium von maximal 4 Jahren ermöglicht es keinesfalls, das ein Germanist oder eine Germanistin auf der Klaviatur der Geisteswissenschaften spielen kann. Zu jung, zu unerfahren. Aber was weiß ich, so als Germanistin schon, eines dieser überflüssigen Fächer, altmodisch, ineffizient, marktwirtschaftlich nur schwer zu verwerten. Mir ist das schon zu Zeiten meines Studium unglaublich übel aufgestoßen, die marktschreierische Frage nach der marktwirtschaftlichen Verwertbarkeit der Studierenden der geisteswissenschaftlichen Fakultäten. Ich kann nur hoffen, dass das jetzt nicht nur eine vorübergehende Panikreaktion ist.

Als nächstes stellt sich heraus, dass die Mehrheit der CDU und FDP-Anhänger (ja, die auch) für Verstaatlichung bestimmter Bereiche der Wirtschaft sind. Okay die Stichprobe ist nicht so groß. Was mich daran freut ist, dass die Arbeitgeberverbände und Interessengruppen, die hinter Lobbyorganisationen, wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft stehen, offenbar ein Haufen Geld ausgegeben habe, dass lediglich ein hauchdünne Fassade aufgebaut hat.
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