Die Nachdenkseiten und „die“ Frauen

Durch einen Bericht des Magazins Report Mainz ist die Aufmerksamkeit auf den erschreckenden Fall Mollath gelenkt. Beteiligt an der wahrscheinlich zweifelhaften Inhaftierung eines Menschen,der versuchte Schwarzgeldhinterziehung anzuzeigen und der Sumpf aus Bank, Politik, gerichtlichem Gutachtensystem und was weiß ich nicht alles, erzeugt bei mir Übelkeit und bestätigt einiges von, was ich in dieser Republik für faul halte.

Die von mir sehr geschätzen Nachdenkseiten haben sich zu dem Fall inzwischen auch schon >>mehrfach geäußert. Gestern gingen sie mit einem >>Beitrag online, der folgenden Titel trägt:

Wir lieben unsere Frauen auch wegen ihrer Warmherzigkeit. Einige Politikerinnen versuchen, uns das abzugewöhnen.

Im folgenden Artikel geht es dann natürlich nicht um Frauen im Allgemeinen und Besonderen, sondern um die Vorgänge rund um die >>bayerische Justizministin Merk, die offenbar eine zentrale Figur in dem ganzen Fall darstellt. Ursula von der Leyen wird auch erwähnt aber wieso erschließt sich mir nicht. Der Artikel endet dann auch noch mit einem Hinweis auf die aktuelle Sendung „Neues aus der Anstalt“. Und so hinterlässt der ganze Artikel einen höchst ungaren und verwirrenden Eindruck. Aber zurück zur Überschrift.

Die Überschrift ist nicht nur sexistisch sondern auch schlecht.

Was will „uns“ (Frauen TM) Albrecht Müller eigentlich mit dieser Überschrift sagen:

„Wir“ (alle Männer)lieben/Er liebt alle Frauen.
„Wir“ (alle Männer)/er liebt alle Frauen, weil sie warmherzig sind.
Weil zwei Politikerinnen, die ja Frauen sind, das nicht sind, sind damit alle Frauen nicht warmherzig.
Bzw. weil zwei Politikerinnen es nicht sind, gewöhnen sie (die Männer=)/gewöhnt er sich ab – was eigentlich? Frauen als warmherzig wahrzunehmen?
Impliziert dass seine erste Aussage, dass alle Frauen warmherzig sind, davon abhänigig ist, dass „uns“ dies von Männern/ihm zugestanden wird?

Ich bin reichlich entsetzt, dass der Autor Albrecht Müller die Frauen im allgemeinen für das Verhalten einer Politikerin in Haftung nimmt. Denn es geht in dem ganzen Fall nicht um Männer und Frauen, sondern um das Handeln einer Politikerin.

Aber es geht noch weiter, nehmen wir mal für eine halbe Nanosekunde diese Sache mit der Warmherzigkeit als Kompliment, so intendiert die Überschrift, dass das Verhalten von Frau Merk (und offenbar von Frau von der Leyen) tatsächlich die Warmherzigkeit aller Frauen infrage stellt.

Die Selbstverständlichkeit mit der Albrecht Müller „alle Frauen“ lieben will, wenn sie „alle“ warmherzig sind, ist sowieso ziemlich anmaßend.

Die Selbstverständlichkeit mit der Albrecht Müller die Eigenschaft der Warmherzigkeit allen Frauen zuschreibt, ist so zutiefst bürgerlicher Sexismus. Sorry, Albrecht Müller, wieso alle Frauen warmherzig seien sollten, erschließt sich mir nicht. Das Phantasma der frühen Neuzeit, dass Eigenschaften von biologisch weiblich geborenen Menschen, die Welt heilen sollen, so als Ausgleich für das Elend das die biologisch männlich geborenen Menschen verursachen, sollte einem gebildeten und* kritischen Menschen eigentlich nicht mehr so selbstverständlich von den Lippen kommen. Frauen, wie Männer benehmen sich im Politikbetrieb oft genug wie emotionsbefreite Automaten, das hat nichts mit dem Geschlecht oder Gender zu tun, sondern mit dem Politikbetrieb.

Und was soll das im Zusammenhang mit dem Fall Mollath mit der Liebe? Das Frauenbild, das hier sichbar wird, ist so verstaubt, dass nur noch ein Industriestaubsauger da durchkommt. Der Fall Mollath hat nichts mit Liebe zu tun. Frauen müssen nicht liebenswert für „alle“ Männer sein. Hier handelt es sich nicht um ein heterosexuelles Liebesdrame, sondern wahrscheinlich um Korruption, Falschaussagen und Gefälligkeitsgutachten. Der ganze Fall hat überhaupt nichts mit heterosexuellen Männern und Frauen zu tun. Und nein, der Fall ist nicht besonders verwerflich, weil eine Frau darin verwickelt ist.

Wie ich schon auf Twitter schrieb: soviel kritischer Verstand aber der Sexismus bleibt der gleiche. Es macht müde, immer und immer wieder, meist so ganz beiläufig mit Sexismus konfrontiert zu sein.

Ändert die Überschrift!

*Das Wort „gebildet“ ist jetzt durchgestrichen, nicht weil ich Albrecht Müller für ungebildet halte, sondern weil diese Aussage nahelegt, dass weniger oder anders gebildete Menschen, diesen Zusammenhang nicht verstehen können. (Danke an highoncliche für den Hinweis)

6 Antworten zu “Die Nachdenkseiten und „die“ Frauen

  1. dieandereperspektive

    Ich denke Herr Mollath ist immer noch dort oder?

  2. Ja, geht ja gerade durch die Medien und heute war wieder ein Debatte im bayerischen Landtag darüber? Wieso fragst du?

  3. dieandereperspektive

    Bei allem Verständnis, sein Schicksal macht mir halt mehr Sorgen.
    Zu deinem Thema fiel mir immer auf, dass gerade Frauen in Karrierefragen kaltherziger und intriganter sind als Männer. Betrifft aber immer den ganz bestimmten Typ von Karrierefrauen, meist aalglatt und karrieregeil. Aber verallgemeinern, das ist echt kein guter Stil, finde ich auch.

  4. Na ja, siehs mal so, ich als Frau hab dieses Problem immer immer und immer wieder, da geht es um einen üblen Fall irgendwas und gleichzeitig muss ich mir die sexistische Scheisse reinziehen. Und dann krieg ich gesagt, das Schicksal von dem ist doch schlimmer, warum reg ich mich über so eine Nebensache auf. Weil es keine ist. Für mich ist das Alltag. Wieso kann Albrecht Müller bei dem Thema nicht eine andere Überschrift wählen. Er hat das Fass aufgemacht, in dem er eine Überschrift wählte, die nichts zur Sache beiträgt aber schnell mal alle Frauen haftbar macht.

    Das Frauen,die Karriere machen kaltherziger und intriganter wirken als Männer, liegt meiner Auffassung nach schlicht daran, dass es nach wie vor so Erwartungshaltungen gegen über den Frauen im allgemeinen und besonderen gibt, die Frauen unterstellen, dass sie weicher, empathischer was weiß ich, sein soll – nein müssen. Da knüpft das dann wieder an den von mir im Beitrag erwähnten polaren Geschlechterverhältnissen an.

  5. dieandereperspektive

    Ich glaube dass es daran liegt, dass sie sich besser verstellen können und ihre wahren Absichten verbergen. Was den Herrn Müller angeht, so bedient er sich Klischees, um besser anzukommen. Warum kaufen so viele Leute die BILD-Zeitung, weil Klischees sich leichter verkaufen lassen, als die nackte Wahrheit. Das sollte eigentlich nachdenklich stimmen, tut es aber nicht.
    Warum werden Autisten als gefühllose Roboter in Fleisch und Blut verkauft? Weil es das ist, was das Publikum erwartet, eine gute Story und kein Mensch wie jeder andere auch, nur ein klein bischen anders gestrickt.

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