Schlagwort-Archive: finanzkrise

Paternalismus und Arroganz

Wer gestern die Dokumentation „Die Yes-Men regeln die Welt“ (Wiederholung morgen 14:45) gesehen hat, konnte sich mal in erträglicher Weise die Abgründe wirtschaftlichen Denken zu Gemüte führen.

Heute lese ich im örtlichen Käseblatt, dass das Institut für Demoskopie Allensbach(1) eine Studie durchgeführt hat, bei der 658 Spitzenpolitiker, Unternehmenschefs und Behördenleiter danach befragt wurden, wie sie den ökonomischen Sachverstand der Bevölkerung einschätzen (!).

Das Ergebnis ist, ich sage es mal deutlich, eine Unverschämtheit. Lediglich 0,1% der Befragten schätzen (!) das Verständnis der Bevölkerung für wirtschaftliche Zusammenhänge sehr gut ein, 13% schätzen ihn für gut ein und 68% der Befragten schätzen den wirtschaftlichen Sachsachverstand der Deutschen als „weniger gut“ bis „gar nicht gut“ ein.

Das Ergebnis erklärt gut die paternalistische Haltung von Politikern, sogenannten Wirtschaftexperten und Unternehmern, die immer den Eindruck vermitteln, dass jene, die gegen die Entfesslung des Marktes aufstehen, schlicht nicht verstanden haben, was sie uns Gutes tun wollen. Was diese Jungs und die paar Mädels in dem Verein nicht verstehen, dass wir uns lediglich weigern sie so zu verstehen, wie sie das wollen.

Überrascht bin ich nicht wirklich. Wer den beseelten Blick der Miltonjünger im obig erwähnten Film gesehen hat – der in mir die Frage aufwarf, ob diese unter speziellen Drogen stehen oder ob der Glaube an den absolut freien Markt besondere, mir unbekannte, körpereigene Drogen ankurbelt – gesehen hat, weiß, dass diese nicht in der Lage sind den wirtschaftlichen Sachverstand eines Durchschnittsbürgers einzuschätzen.

Wenn wirtschaftlicher Sachverstand bedeutet, dass man ohne Werte, antisozial und gegen jede Menschlichkeit handelt, wie es in dem von mir erwähnten Film nicht deutlicher und drastischer zum Ausdruck kommen konnte, sicher, dann haben wahrscheinlich viele keinen wirtschaftlichen Sachverstand. Aber wer will so ein gewissenloses Monster schon sein. Ich nicht.

Und was den wirtschaftlichen Sachverstand des deutschen Durchschnittsbürgers angeht, würde die Menschen mit ihren Haushaltseinkommen so wirtschaften, wie es Unternehmen, Finanzindustrie und Politik tun, wären die allermeisten schon längst in der Privatinsolvenz. Was sich derzeit in Politik und Wirtschaft abspielt, zeugt deutlich davon, dass es bei den „Eliten“ an wirtschaftlichen Sachverstand mangelt. Titelt doch mein Käseblatt im Wirtschaftsteil heute: „Die Banken haben nicht kapiert“, sie verkauften immer noch hochkomplexe und undurchschaubare Finanzprodukte. Na, was für eine Überraschung aber auch. Natürlich haben sie was „kapiert“, auch die Kosten und Folgen für ihre massive Mißwirtschaft und der Verstoß gegen jede Betriebswirtschaflichkeit kann in unseren Zeiten externalisiert werden. Die Kosten dafür trägt der Steuerzahler/die Steuerzahlerin. Wie praktisch.

Wäre das Ergebnis der Studie gewesen, dass diese 658 Leute hoffen, dass wir alle keinen wirtschaftlichen Sachverstand haben, wäre das zumindest ehrlich gewesen.

Doch, doch, wir haben jede Menge wirtschaftlichen Sachverstand, deswegen sind wir ja auch nicht mit dem einverstanden, was so aus der Riege der 658 Befragten tagtäglich über uns ausgekübelt wird.

(1) Die Studie ist leider nicht öffentlich zugänglich, die Frage zum wirtschaftlichen Sachverstand der Bevölkerung erfolgte im Rahmen einer groß angelegten Panelstudie, die das Institut für die Zeitschrift Capital durchführte.

Samstag

Am nächsten Samstag 28.03.09, wie den meisten, die hier vorbeikommen, bekannt sein wird, finden Demos unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ in Berlin und Frankfurt statt. Wer bisher noch nichts mitbekommen hat, hier gibts eine Busbörse.

Ich werde leider nicht dabei sein, da ich eine unverschiebbaren Termin, der seit über einem Jahr feststeht, habe. Und das auch noch in Frankfurt.

Vermischtes

Ich weiß nicht, was noch alles kommen wird. Ich fürchte, es wird sehr ungemütlich. Draußen ist so grau aber nicht nur da. Wenn ich das schon höre, ab Mitte des Jahres geht es wieder bergauf. Auf welchen Erkenntnissen baut denn bitteschön dieser Unsinn auf? Durchhalteparolen nenne ich das. 1929 war auch nach einem halben Jahr vorbei? Oder wie war das. Könnte ich ja nachlesen, ich mag aber nicht. Zu deprimierend. Diverse Blogs lesen, ist auch deprimierend. Den derzeit deprimierensten Beitrag habe ich grad da unten verlinkt. Wobei ich sagen muss, dass ich weniger deprimiert bin, weil alles so schlecht aussieht, sondern weil ich keine Ahnung habe, wie es weitergeht. Ich meine, wenn ich das wüßte, wüßte ich vielleicht auch, was zu tun ist. Das ist ja meine Stärke, wenn alles in den Binsen ist, organisieren und aufbauen, Strukturen erfassen und stabilisieren. Aber das was jetzt grad läuft, das liegt mir überhaupt nicht. Strukturen, die zerfallen, diffundieren weg, wie Sand unter den Füßen. Ich wünschte die Krise hätte ihren Höhepunkt schon erreicht und man wüßte nun endlich, was auf einen zukommt. Hilflosigkeit und Ohnmacht sind beschissene Gefühle. Mehr als das Gefühl, das es noch lange nicht alles war, was da auf uns zukommt, habe ich nicht. Und die Erfahrung, dass ich mich auf diese Art Gefühle schon immer gut verlassen konnte. Glücklicherweise, denke ich auch wieder, lese ich Blogs, denn da finde ich am ehesten soetwas, wie Wahrheit. Im Gesamtbild aller Blogs,die ich lesen und in den Kommentaren natürlich, finde ich mehr Realität als ich es sonst finden kann. In meinen Entwürfen finden sich einige Beiträge für dieses Blog aber ich mag grad überhaupt nichts schreiben.

Ich spüre so einen drängendes Bedürfnis nach häuslicher Geborgenheit. Man könnte endlich renovieren, wird auch Zeit. Warme sonnige Farben bitte. Wie im Mutterschoß. Ein Buch lesen, es muss nicht mal besonders gut sein, lediglich unterhaltsam. Kerzenschein, Kuchen, kuschelige Kissen, Katzen, flauschige Decken, leichte belanglose Musik. Urlaub machen wäre schön, aber geht im Moment nicht. Die Welt vergessen, wenigstens für ein paar Stunden. Anders geht es sowieso nicht mehr. Ich staune über Menschen, die sich mit fast schon verbissener Intensität mit der täglichen Flut an Nachrichten herumschlagen. Manchmal bewundere ich sie auch. Aber mir ist nach einer Tafel Schokolade und meinen schnurrenden Kater auf meinem Schoß als Antidot.