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Gedanken 7-2

Komischerweise habe ich über die Überwachungskatastrophe, die jetzt von China und Shanghai gemeldet wird, in den Mainstreammedien kaum etwas gelesen. Zuerst ist mir das Thema in der C’t begegnet. Inzwischen findest sich ein Artikel dazu auch in der taz. Dort sollen spätestens ab 2020 alle Menschen nicht nur komplett überwacht werden , außerdem erhalten sie für ihr Verhalten Punkte. Für „gutes“ konformes Verhalten bekommen die Menschen dann Punkte (erinnert mich an das Verhaltenssmilie in Kindergärten und Grundschulen) und für nicht-konformes entsprechend Abzug. Außerdem beeinflusst der eigene Punktestand, den von Freunden, Bekannten und Verwandten. Überwachung bis ins privateste total. Das übersteigt bisherige Dystopien bei weitem, vielleicht auch nur deshalb, weil es so real und nah ist. Das Ganze ist – wenn ich alles richtig verstanden habe – eine Weiterentwicklung eines Systems der Konsumplattform Alibaba. Was ich immer wieder als besonders eklig empfinde. Jedes Mal, wenn ich einen dieser Artikel gelesen hatte, brauchte ich zwei Wochen nettes Serienprogramm aus der guten alten Zeit oder mit viel Glitzer und Einhörnern. Es ist so erschreckend und nah. Und die Reaktion der Rest der Welt (der sogenannten freien Welt)?  Nichts. Stattdessen wird da in Berlin irgendwo ein vergleichbares System installiert. 

Und sonst? Menschen stützen sich begeistert auf sprachunterstützte Notizbücher einer anderen Handelsplattform, melden fröhlich per Smartphone ihren Standorte usw. usf.  Wir geben unsere Daten und Angaben über unser Verhalten preis und die wenigsten denken über die möglichen Konsequenzen nach. Nur das diese jetzt vor der Tür stehen und statt eines weltweiten Aufschreis – Schweigen, im Großen und Ganzen. 

Sind wir soweit, dass so was wieder unwidersprochen abgedruckt werden kann?

Ist mir schlecht.

Das Ganze ist so widerlich, dass ich es nicht mal verlinken mag. Wofür werden diese geifernden Hassprediger denn so vorgeschickt?
Was plant die Regierung so? Vielleicht Frauen alle zurück an Heim und Herd (würde auch das Erwerbslosenproblem sogleich erledigen) und Zwangssterilität für die, die der Unterschicht zugehörig identifiziert werden?

Ist mir schlecht.

Wer noch nicht weiß, worum es geht, kann es hier oder hier nachlesen.

Wir sind soweit, zuerst kamen die Ungeziefervergleiche und jetzt kann man das so schreiben. Die Hemmschwellen fallen, beim Aussprechen und beim Abdrucken. Das ist eine politisch gewollte Entwicklung und zwar gewollt von egal welcher der sogenannten etablierten Parteien, die in den vergangen Jahren hemmungslos dafür sorgten, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter öffnete. Die wollten/wollen, dass jeder denkt, dass Erwerbslose selbst schuld sind daran, dass es keine bezahlte Arbeit mehr für sie gibt. Ja, ja, es werde nur ausgesprochen, was angeblich viele denken. Keine Ahnung, ob das so ist. Ich kenne diese vielen alle nicht persönlich aber unsere Politikerdarsteller denken so und deswegen wirds auch abgedruckt. Und es gibt inzwischen genug Chefredaktionen, die nicht einmal mehr zucken, wenn sowas auf ihrem Tisch landet.

Ach so, das Wort „Erkinderung“ schlag ich schon mal als Unwort des Jahres vor. Ich habs ja zuerst für nen Druckfehler gehalten. Unglaublich.

Nachtrag 5.11: In der Diskussion drüben bei momorulez zum Thema steht, wozu mir bisher die Worte fehlten:

Nörgler: Auch die Wannsee-Konferenz stand nicht am Anfang. Am Anfang stand: Die Juden müssen weg.
Wenn ich erst einmal eine soziale Gruppe als wegzuschaffende identifiziert habe, ist der entscheidende qualitative Schritt gemacht. Die Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels sind nur noch solche einer graduellen Abstufung. Das Stadium des herkömmlichen Sozialdarwinismus haben wir hinter uns, denn der plädierte dafür, sich – passiv – um die Minderleister nicht zu kümmern, da deren Elend, weil sie Minderleister sind, gerecht ist.

Nun aber kümmert man sich sehr wohl. Vorschläge, wie der Gefahr aktiv zu begegnen sei, liegen auf dem Tisch.
Momorulez hat richtig gesehen, dass im Wege eines klassischen Umkehrdiskurses nicht mehr die die Ruhigstellung der Unterschichtler die Ursache des Sozialstaats ist, damit der Bürger kein Feuer unterm Dach hat, sondern nun wird der Sozialstaat als Ursache der Existenz der Unterschicht benannt. Also: Sozialstaat weg, keine Unterschicht mehr. Aber wenn die dann trotzdem noch da sind und als Obdachlose, Bettler, Innenstadtentglaser und Autoabfackler präsenter sind denn je – was dann? Den gegen Widerstände mühselig abgeschafften Sozialstaat wieder einführen wäre die eine Option. Die andere wäre …

Sie sehen aus, wie jeder andere…

…sind aber brandgefährlich:

Denkfabriktäter