Disziplinierungstechniken

Vorneweg, der folgende Beitrag ist unsortiert, er stellt meine vorläufigen Überlegungen zu den Themen Disziplinierung, Neo-Liberalismus, Sozialpolitik und Faschismus dar.

Heute titelte der Kölner Express (Bitte die „Unterstriche aus dem Link entfernen, dann funktioniert er auch) „Hartz IV Kontrollen bringen der Stadt Millionen“. Wobei schon die Vision der Millionen maßlos übertrieben ist, handelt es sich doch lediglich um 1,84 Millionen Euro, von denen ca. 500.000 durch Denunziation durch Nachbarn und Bekannte zustande gekommen sein soll. Die grüne Sozialdezernentin Marlis Bredehorst, Kind einer antiautoritären Bewegung, setzt nach eigenen Aussagen auf Abschreckung und Kontrolle. Letztlich scheint sie zur Denunziation aufzurufen, da sie versichert, dass jeder (anonymen) Anzeige nachgegangen werde. Es pfeifen die Kölner Spatzen von den Dächern, dass die seltsame Vergabepraxis für öffentliche Aufträge Köln weit mehr kostet und kosten wird. Ich denke da nur an das überdimensionierte Bezirksrathaus in Nippes, dass vom Oppenheim-Esch-Fond nicht kleiner gebaut werden wollte und nun, nachdem die Zentralisierung der Stadtverwaltung zurückgenommen wurde, weitgehend leer steht und die Stadt zahlt. Von dem Skandal um die Messe mal ganz zu schweigen.

Es geht ja auch nicht wirklich um das Eintreiben von unrechtmäßig erhaltenen Geldern und schon gar nicht um die Rettung des städtischen Haushaltes, was bei dieser Summe eh lächerlich ist. Wenn es „nur“ um den Haushalt und das Stopfen von Löchern ginre, mehr Personal in der Steuerfahndung würde weit mehr einbringen. Es geht um Disziplinierung. Die aus dem Prozess der ökonomischen Verwertbarkeit Ausgegliederten, mit anderen Wort die Erwerbslosen (Nicht Arbeislosen) sollen als abschreckendes Beispiel für alle dienen, die sich nicht in dieser Situation befinden oder meinen sie seinen nicht betroffen. Die Erwerblosen, die staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, werden verfolgt, bespitzelt und unter Generalverdacht gestellt. Der disziplinierende Effekt zielt auf die noch Erwerbstätigen.

Dann gibt es noch die, die für sich die kulturelle Klasse oder auch die digitale Boheme entdeckt haben, was für mich nichts anderes bedeutet als „Honig über Scheiße“ zu gießen. Digitale Boheme oder „Wir nennen es Arbeit“ sind andere Worte für Selbstausbeutung, mangelnde Sicherheit und die Unterwerfung aller Lebensbereiche unter die Not-Wendigkeit des Broterwerbs. Das mag spaßig sein, für ein paar wenige, die damit über die Runden kommen und die ihre existentiellen Ängste tief genug verdrängt haben, dass die Folgen wahrscheinlich erst später zu Tage treten. Es ist ein zutiefst asoziales Bild. Denn die digitale Boheme ist ein exklusiver Club einer kleinen Gruppe von Menschen, die in Zeiten größerer sozialer Sicherheit die Chance hatte sich die Ressourcen zu schaffen, die sie jetzt befähigt ein solches Leben zu führen. In der Ideologie dieser „kreativen Klasse“ stellen sie sich als Generallösung für unsere sozialen Probleme dar. Sie stellen ihre Kreativität, ihr Engagement und ihr Privatleben zur allgemeinen Abschöpfung durch den ökonomischen Prozess bereit. Wir sprechen uns in 30 Jahren, vermutlich früher, wieder, wenn sie dann zu alt und ausgebrannt sein werden, um bei diesem Rattenrennen weiter mithalten zu können.

Was aber ist mit all den Menschen, die heute schon nicht mehr mithalten können? Die ein einziger Bescheid der Arbeitsgemeinschaften vollständig über den Haufen wirft? Die nicht wissen, dass sie „nur“ ihr kreatives Porential ausschöpfen müssen, um wieder dabei zu sein? Deren kreatives Potential sich darin erschöpft einen Kampf um das exitentielles Überleben als das verstehen, was es ist, eine beschissene Situation?

Wir wissen es noch nicht so genau, darüber wird nicht – zumindest nicht laut – gesprochen. Analysierte Foucault noch moderne Gesellschaften als Bio-Mächte, die regulierend auf die Körper und die Bevölkerung einwirkte, scheint es inzwischen soweit zu sein, dass der Fokus der biopolitischen Praktiken auf die ökonomisch verwertbaren Individuen gelenkt wird. Was mit dem Rest geschehen soll, bleibt bisher ein blinder Fleck in der Neustrukturierung des Verhältnissen zwischen Staat und seinen Bürgern. Das Bild des „Homo sacer“ wird eine sehr reale Figur.

Ich habe hier einmal einen Artikel angekündigt und dies nie eingelöst. Das Faschistoide im neuen „freien“ Weltbild unserer Avantgarde zu identifizieren, macht mir immer noch den Mund tocken und schnürt mir die Kehle zu. Vielleicht will ich es – noch – nicht so genau wissen, weil sich dann automatisch die Frage für mich stellt, was zu tun ist. Ich kann nicht von Faschismus sprechen ohne dabei auch von Widerstand zu sprechen. Ja, ich weiß, ich bin keinen Repressionen ausgesetzt, mir droht nicht Gefängnis und Tod. Es gibt subtilere Methoden als den körperlichen Tod. Natürlich geht es nicht um einen Faschismus, wie wir ihn historisch kennen gelernt und immer noch nicht verdaut haben. Im Moment scheint es in erster Linie um eine Umwertung von Begriffen zu gehen. Emanzipatorische Werten werden der Ökonomie unterworfen und ein entfesselten Kapitalismus in ein emanzipatorisches Konzept umgedeutet.

„Selbstbestimmt“ heißt nicht auf sich selbst gestellt zu sein (Quelle)

Nachtrag:

Ein wirklich ausgezeichneter Artikel zum Thema ist hier zu finden.

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