Ich habe ja eine lange Weile nichts mehr gebloggt, weil ich keine Zeit hatte, weil ich es müde war, das gleiche wieder und wieder zu wiederholen. Irgendwie na ja. Jedenfalls habe ich derzeit gerade ein zwei Impulse wieder meinen Blog zu befüllen. Auch haben sich im Laufe der letzten Jahre die Dinge in Bloggersdorf verändert. Die letzten Tage habe ich immer wieder damit zugebracht, einige der Verwerfungen und Brüche und neuen Bündinisse nachzuvollziehen, die sich da abgespielt haben.
Ich bin bei unterschiedlichen Leuten über Berichte und Beiträge über das GenderCamp gestolpert.Ich werde das nicht weiter verlinken, weil es mir nicht darum geht, was da vor ein paar Monaten abgespielt hat. Aber eine Sache hat mich dann doch weiter beschäftigt.
Irgendwie, dachte ich so, kenn ich das doch. Diese Diskussionen habe ich doch schon geführt, bzw. am Ende nicht mehr. Also es war in den späten 80ern, da gab es das „Frauenwiderstandscamp“ im beschaulichen Reckershausen im Hunsrück, also auch so ein Camp halt zeitgeschichtlich anders aufgehängt. Es war eine primär feministische Abspaltung aus der „Mainstream“-Friedensbewegung und protestierte in erster Linie und in der Phase in der ich das ganze erlebte, gegen den sehr heimlichen Bau einer Nato-Kommando-Zentrale im Hunsrück. Die genauen Details habe ich nicht mehr in Erinnerung.
Ich war insgesamt 3 Mal dabei. Als Teilnehmerin und auch als Orga. Diese Zeit war in vieler Hinsicht sehr prägend für mich. Der Umgang untereinander, der Versuch andere Umgangsformen zu finden, hat mir damals meinen familienbedingten Zynismus, den ich in diesem Alter gerne noch von mir gab, ziemlich ausgetrieben. Weils niemand lustig fand (ja, ja, meine Familie ist ziemlich daneben aber das ist ein anderes Thema) und weil ich dadurch verstand, dass ich mich verletztend verhielt. Oder das Essen, vegetarisches Essen in großen Töpfen, dazu gehörte allerdings auch die regelmäßigen Currywurstfressanfälle während des Einkaufs im benachbarten Städtchen. Wobei ich sagen muss, dass besonders die Nicht-Vegetarierinnen unter uns besonders gern den Einkaufsdienst übernahmen. Oder die Diskussionen, wie etwas verhandelt wurde. Ich meine, ich hätte im zweiten Jahr ja nicht mit orgnanisiert, wenn es mir nicht gefallen hätte. Natürlich ist jetzt alles was folgt ein höchst subjektiver Blick auf die Sache, 100% mein Erleben und sicher dadurch auch noch subjektiv verzerrt, dass dies alles vor fast einem viertel Jahrhundert stattfand.
Außerdem war es ein primär lesbischer Ort, also die Lesben waren in einer absoluten Mehrheit und meine damals beste Freundin, ihres Zeichens Hetera, meinte schon nach einen Tag, sie bekäme eine Ahnung, wie es sich für mich anfühlen müsste, im Alltag klarzukommen. Super Sache, wie ich finde, viele Diskriminierungserfahrugnen sind ja leider nur schwer antizipierbar. Damit meine ich keinen theoretischen Überbau, sondern das konkrete Erleben, das kaum vermittelbar ist. Natürlich gab es da auch normative Diskriminierung. Dieser Blick auf meine langen Haare und meinen Rock als ich mir am ersten Morgen Kaffee im Küchenzelt, dass nur für Leseben vorgesehen waren, holen wollte und der Kommentar „Das hier ist die Lesbenküche“ – Pause – Bedeutungsvoller Blick. Nun ja, ich war ja noch irgendwie ein Teenager und habe das damals eher als Sport begriffen. Erwähnte beste Freundin mit kurzen Haaren und Bomberjacke wurde ja auch immer gleich als Lesbe identifiziert. Wir haben uns damals einen Spaß a la „ratet wer die Lesbe ist“ gemacht. Ein gutes Training für spätere Zeiten manche Sachen nicht so ernst zu nehmen. Die Verletzung so nachdrücklich und stur von den „eigenen“ fehlgelesen zu werden, hat sich erst viel später Bahn gebrochen. Btw. ich werde bis heute fehlgelesen, ist ja erstaunlich, was sich in weit über 30 Jahren seit meinem lesbischen Coming-out so alles nicht geändert hat. Und Treppenwitz, heute sind meine Haare kurz und meine Butch, hat echt lange Haare. Na, wie auch immer.
Und dann kam die Sache mit den Kindern. Das brachte mich dann dazu der ganzen Veranstaltung komplett den Rücken zu kehren. Zum ersten waren männliche Kinder ab einem bestimmten Alter auf dem Camp nicht zugelassen. ICh erinnere mich aber deutlich, dass wir im Orgateam ganz klar darauf achteten, das Alter so auszuwählen, dass die Mütter, die keine Eltern, Verwandten usw. im Hintergrund hatte, die Möglichkeit hatten ihre Jungs in ein Ferienfreizeit oder so geben zu können und das geht erst ab einem bestimmten Alter. Es gab da auch andere Fraktionen, sozusagen die radikal seperatistischen, die überhaupt keine Kinder auf dem Platz wollten und auch keine Mütter (mit oder ohne Kinder) weil sie ja heterosexuell verbandelt sind. Die haben sich aber bei der Orga nicht durchsetzen können. Das wir alle tief in der Differenzscheiße steckten haben wir damals nicht bemerkt und gender war damals kein Thema (s.o.). Vielmehr war das Thema zu der Zeit, dass die Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt hatten, auf dem Camp nicht mit „männlichen“ Wesen aller Art konfrontiert werden wollten.
Allerdings und leider, spielte sich das im konkreten Campleben so ab. Es gab diese Küchenzelte, wo bis zu 20 Frauen/Lesben zusammen kochten und oft auch die Bezugsgruppe innerhalb des Camps darstellen. Wenn ich mich richtig erinnere, waren da mindestens sieben oder acht solcher Küchenzelt. Im letzten Jahr bei dem ich dabei war, gab es ein exlizites Separatistinnenzelt, als keine Kinder, keine Mütter, keine Heteras. Aber aus Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnere, waren da dann nur noch zwei Küchenzelte, die für alle offen waren. Es gab unsägliche Diskussionen darüber, auf welche Toiletten, die wengien überhaupt auf dem Camp vorhandenen männlichen Kinder gehen dürfen (zur Erinnerung die waren alle jünger als sieben Jahre). Ich weiß nicht einmal mehr, ob zu diesem Zeitpunkt überhaupt männliche Kinder auf dem Camp waren.
Im Allgemeinen entwickelte sich das Camp in einer Art und Weise, die ich damals schon aber heute noch mehr als ziemlich fatal empfand. Nur damals war ich zu jung, zu verunsichert und Dämonen gejagt, die mir es nicht leichter machten, klaren Kopf zu behalten oder klar Stellung zu beziehen. Die Sache mit den Kindern fand ich die ganze Zeit daneben, das Ausgrenzen von Müttern ebenso. Also ob jede Frau als Lesebe auf die Welt gekommen wäre. Aber dass die Themen des Frauenwiderstandscamp zunehmend nach innen fiehlen und die Aktionen und Aktivitäten immer weniger wurden. Es wurde sehr selbstzerfleischend, wie frau sich zu verhalten habe, zu reden und so weiter und so fort (kommt das jemandem bekannt vor??).
Mich ereilte der obligatorische Campkoller und ich musste mal raus und verschwand für eine Woche.
Kurz vorher war ich auf dem Camp auf vier Lesben/Frauen gestoßenm, die zusammen mit zwei Kindern vor einem Lagerfeuer saßen und da ich sie noch nicht bemerkt hatte, fragte ich sie in welchem Küchenzelt sie untergekommen seien. Sie meinten, in keinem. Ich fragte, ob sie gerade erst angekommen seien. Nein, sie wären schon drei Tage da. Mit Blick auf die Kinder, meinte dann eine, es hätte kein Zelt sie nehmen wollen. Ich war ziemlich entsetzt. Ich glaube, ich habe dann dafür gesorgt, dass „mein“ Küchenzelt noch mal aufmachte. Da ich einem der beiden Küchenzelte angehörte, die offen für alle waren, waren wir schon ziemlich voll gewesen aber dass Frauen hier nix zu essen bekommen, ging mal gar nicht.
Der Campkoller war ein berüchtigestes Phänomen, immerhin dauerte das Camp 6 Wochen und einige von uns versuchten die ganze Zeit dort zu verbringen. Unser Leben da auf der Wiese im Hunrück war teiweise wie das Leben in einem Parallelunsiversum und ein Kulturschock und manchmal brauchte es dringend eine Rückkopplung mit der Welt, in der wir den Rest des Jahres lebten, um nicht durchzudrehen. Da ich in diesen Jahren eh immer kurz davor stand durchzudrehen, machte ich also eine Pause und fuhr dann wieder hin. Also ich dort ankam, war die Stimmung total gekippt. Es waren alle Frauen mit Kindern abgereist und auch einige Mütter, die ihre Kinder nicht mitgebracht hatten. Es hatte wohl weitere Vorfälle gegeben, die Mütter und Frauen mit Kindern wären abgereist. Aber das Leben im Camp ging so weiter. Ich war so erschüttert und entsetzt, dass ich meine Klamotten packte und abreiste.
Ich will dazu sagen, ich war Anfang 20, definierte mich damals lesbisch, wollte zu diesem Zeitpunkt explizit keine Kinder.
Wenn ich jetzt lese, dass sich diese Sturkturen in einem neuen Mäntelchen wiederholen, wird mir nicht weniger schlecht. Denn es ist mir echt egal, wer wen diskriminiert. Ich bin da empfindlich und wenn Leute, die ich schätze (warum und wofür und in welchem Grad auch immer) anfangen andere zu diskriminieren und egal in welchem Deckmäntelchen es daherkommt, bin ich sauer. Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dabei der eigene Schmerz und die Trauer über die eigenen Diskriminierungserfahrungen über diesen Weg emotional entsorgt werden soll.